Guten Tag Frau H.,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich kann Ihnen an dieser Stelle zunächst einmal nur beschreiben, für welche Ziele ich mich in der sozialen Selbstverwaltung einsetzen will. Natürlich braucht es für die Umsetzung dann auch eine geschlossene und starke Selbstverwaltung -- dass dieses Zusammenhalten gelingt, wird sozusagen der gemeinsame Dauerauftrag für die nächsten Jahre sein. Aber zu ihrer Frage:
- Die Versichertenorientierung muss aus meiner Sicht das stärker erkennbare Leitbild jeden Krankenkassenhandelns werden. D.h. aus meiner Sicht, dass alle Programme und Leistungen darauf überprüft werden, ob sie den Versicherten tatsächlich nützen: Welche (digitalen) Gesundheits- und Pflegeanwendungen sind beispielsweise tatsächlich für Versicherte hilfreich und müssen ggf. stärker gefördert werden? Wo braucht es eine bessere Verzahnung mit regionalen und lokalen Versorgern? Wie können wir schneller auf Beschwerden, Eingaben und Antragsstellungen von Versicherten reagieren?
- Dazu gehört weiterhin die Frage, wie die Gesundheitsversorgung und Pflege ohne Beitragserhöhungen langfristig zukunftsfest gemacht werden können. Dafür gibt es verschiedene Vorschläge, klar ist aber, dass weder kurzfristige Steuerzuschüsse noch Mehrbelastungen der Versicherten vertretbar sind. In der Pflege braucht es aus meiner Sicht eine solidarische Pflegeversicherung als Vollkaskomodell, in der Gesundheitsversorgung einen deutlich weiter gefassten Versicherungsschirm, der perspektivisch alle Bürgerinnen und Bürger absichert.
- Gesundheit darf nicht arm machen, und Armut darf nicht Gesundheit verhindern. Häufig ist das aber leider der Fall, oder eine gute Gesundheitsversorgung scheitert an der finanziellen Belastung gerade ärmerer, älterer oder multimorbider Menschen. In einem ersten Schritt muss hierzu dass System der pivaten Zu- und Aufzahlungen zu vielen Leistungen abgeschafft werden. Die Krankenkassen müssen gemeinsam und entschlossen, natürlich auch über die Verwaltungsräte, dafür eintreten, dass der Staat hier die nötigen Grundsatzentscheidungen gesetzlich festschreibt bzw. wieder korrigiert.
- Die stationäre Langzeitpflege und die Krankenhausversorgung stehen vor enormen Herausforderungen in den nächsten Jahren. Aus meiner Sicht kann gute Pflege und Krankenhausversorgung in der Zukunft nicht gelingen, wenn Häuser flächendeckend geschlossen und Strukturen abgebaut werden. Es braucht gute Arbeitsbedingungen in der Pflege und im Krankenhaus, aber auch ein sinnvolles Verzahnen ambulanter und stationärer Leistungen. Wohnortnahe, niedrigschwellige und leistungsfähige Versorgung fur alle Bürgerinnen und Bürger muss das Leitbild bleiben. Dies lässt sich aus meiner Sicht und durch die verstärkte Einrichtung kommunaler Versorgungsstrukturen wie etwa MVZ oder regionale Versorgungszentren erreichen, bei denen etwa auch Krankenkassen als Mitbetreiber fungieren können.
- In den letzten Jahren wurden die Rücklagen der Krankenkassen durch politische Beschlüsse geplündert mit dem Ziel der Verabschiedung vieler Gesetze, von denen die Versicherten allerdings nicht viel Positives bemerkt haben dürften. Deshalb braucht es eine schnelle Prüfung und Rückabwicklung aller entsprechenden Gesetze, außerdem muss der Gesetzgeber stärker in die Verantwortung dafür genommen werden, dass er tatsächlich das finanziert, was er als sog. 'Versicherungsfremde Leistung' rein rechtlich ohnehin finanzieren müsste (bspw. die vollständige Übernahme der Beiträge von ALG-2-Beziehern. Bisher müssen die Krankenkassen hier faktisch die Hälfte zuschießen.
- Die Selbstverwaltung muss aus meiner Sicht auch grundsätzlich gestärkt werden, um die Bedeutung des Ehrenamts in der Sozialversicherung wieder an die Stelle zu rücken, die ihr gebührt. Das kann in einem ersten Schritt etwa durch freiwillige Weiterbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen für VR-Mitglieder geschehen, aber auch eine bessere Vernetzung und Informationsaustausche innerhalb des Verwaltungsrates umfassen. Wichtig ist, dass die sozialen Selbstverwaltungen in die Lage versetzt werden, stärkeren Einfluss auf das Geschäft wie auch die Grundsatzentscheidungen der Krankenkassen zu nehmen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit zumindest einige Handlungsfelder skizzieren, die ich für wichtig halte. Natürlich sind diese Themen zum Teil langfristig gefasst, aber das entspricht eben auch den sehr vielen und sehr umfangreichen Baustellen im Gesundheitswesen. Sie stellen aus meiner Sicht zumindest einen wichtigen Anfang dar, um die Versorgung für die Versicherten besser zu machen. Viele weitere Themen, etwa die Stärkung von Präventionsangeboten und Gesundheitsinformationszugängen im Alltag oder der Ausbau von Rehabilitationsleistungen, gehören hier aber ebenso selbstverständlich dazu.
Falls Sie weitere Fragen haben, lassen Sie es mich gerne wissen.
Mit freundlichen Grüßen,
Robert Spiller